Am Hüttenplatz

Ein eigener Hochofen für die Produktion
Im Hagener Ortsteil Beckerode stand das erste Eisenhüttenwerk
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlangte Hagen Bedeutung für das Osnabrücker Land und darüber hinaus. In diesen Jahren verfügte der Ort über die erste und einzige Eisenhütte im gesamten Königreich Hannover, zu dem die Gemeinde gehörte. Die Straße „Am Hüttenplatz“ in unmittelbarer Nähe zum Freibad erinnert daran.
Der Osnabrücker Kaufmann Karl Förster war der landesweit der erste Pionier in Sachen Eisengewinnung. Er besaß nicht nur Kenntnisse vom Eisenhandel, er wusste auch aus seiner Zeit als Leiter einer Eisenhütte, worauf es ankam: eine möglichst Wasser reiche Gegend sowie eine vorteilhafte Lage zu den Rohstoffen Eisenerz und Kohle. Mit sicherem Gespür und großer Risikobereitschaft hatte er sich bei seiner Suche für die Bauerschaft Beckerode entschieden- nichtahnend, welche Schwierigkeiten auf ihn warteten. Nach und nach kaufte er sich von den umliegenden Landwirten ein gut 8000 Quadratmeter großes Gelände, auf dem er schließlich 1839 den ersten Hochofen anblasen ließ.
Bei der Verwirklichung seines Vorhabens hatte er vor allem den erbitterten Widerstand der nächsten Anwohner zu überwinden, die sich um die Qualität ihrer Leinen beim Bleichen sorgten. Die heimischen Töpfer und Ziegelbrenner dagegen fürchteten eine Verteuerung der Fuhrdienste und des Brennholzes. Das „Königliche Amt Iburg“ gab Förster trotzdem die Erlaubnis für den Bau der Eisenhütte. In ihrer Begründung wies die Behörde darauf hin, dass der Osnabrücker über die nötigen Fähigkeiten und Erfahrungen verfügte.
Förster und seine drei Teilhaber hatten aber auch noch andere Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Erdarbeiten, Verlegung der Wasserleitungen sowie Errichtung des Hauptgebäudes nebst Hochofen gestalteten sich äußerst kompliziert und verzögerten die Inbetriebnahme der Eisenhütte erheblich. Auch die Versorgung mit Rohstoffen blieb ein fortwährendes Problem. Überall in Hagen und Umgebung wurde fieberhaft nach Vorkommen gesucht. Im Hüggel und in Natrup Hagen, im Hasberger Roten Berg und im Heidhorn konnten Förster und Co schließlich Schürfrechte und Bergbaukonzessionen erwerben.
Um 1840 war man endlich so weit, dass das Gebläse einer Dampfmaschine den Hochofen auf die erforderlichen Temperaturen brachte. In dieser Zeit waren „täglich cirka 59 Arbeiter und cirka 100 Fuhrleute  und Tagelöhner“ aus Hagen mit der Eisengewinnung beschäftigt, wie es in der Hagener Ortschronik heißt. Hinzu kam das Fachpersonal wie Eisengießer, Formermeister, Maschinenschlosser, Sprengmeister und Bergleute. Sie wurden überwiegend aus anderen Hüttenwerken „im Ausland“ abgeworben.
Der Erfolg konnte sich bereits nach kurzer Zeit sehen lassen: Wurden zunächst nur Räder und Pflugscharen für Landwirte und Gewerbetreibende produziert, kamen nach und nach Aufträge aus dem gesamten Königreich. Die „Wasserkunst-Administration in Hannover orderte zum Beispiel „272081 Pfund Rohre“ und bezahlte die Lieferung mit „9487 Talern und 30 Mariengroschen“. Ab November 1847 wurden in Hagen die Gasleitungsrohre für die Bahnhöfe in Bremen und Hannover hergestellt.
Das Aus für den Hagener Standort kam, als die stetig steigende Nachfrage eine Vergrößerung der Anlage erforderlich gemacht hätte, was das Gelände aber nicht hergab. Die letzten Besitzer verkauften schließlich 1856 die Beckeroder Eisenhütte nebst Bergbaurechten für 350000 Reichsmark an die neu gegründete „Georgs-Marien-Bergwerks und Hüttenverein Aktiengesellschaft“, die ein neues Eisenhüttenwerk in Malbergen errichten ließ, das bis heute produziert.
Der Betrieb in Beckerode wurde dadurch unrentabel, der Absatz stockte. Hinzu kam, dass Anlagen wie das Walzwerk in die Jahre gekommen und abgenutzt waren. Die Auswirkungen bekamen die Hagener mit Wucht zu spüren: Nicht nur von Bau und Betrieb der Eisenhütte hatten die Einheimischen profitiert. Auch die Löhne für Fuhrdienste beim Erz- und Kohlentransport  fielen nun weg.
Allein Hagens Gemeindevorsteher und Pastor sahen den Niedergang dieses Industriezweiges mit einem lachenden und einem weinendem Auge. Hatten sie doch wiederholt während der Blütezeit des Werkes Auseinandersetzungen zwischen (evangelischen) Hüttenfacharbeitern, die zumeist aus dem Harz kamen, und (katholischen) Einheimischen schlichten müssen. Überliefert ist die Beschwerdeeingabe des Hagener Pfarrers bei der Regierung: Seitdem die „Hütte hier ist, suchen die Arbeiter die Gemeinde stets aufzuwiegeln“.
Den größten Nutzen aus der Stilllegung hat trotz alledem die gesamte Gemeinde bis auf den heutigen Tag: Der alte Fabrikteich wurde bereits 1931 in Eigenarbeit zum Freibad umgestaltet, das nach mehreren Modernisierungsmaßnahmen seine Form bis heute bewahrt hat.

Werner Barthel