Heuerlinge und ihre Rolle in der Weimarer Republik
Vortrag von Dr. Christian Westerhoff für den Heimatverein Hagen
Der Fleiß, das unternehmerische Denken und das Streben nach Eigentum bildeten bei vielen Heuerlingsfamilien die Triebfeder, nach den armutsgeprägten Jahrhunderten für einen Neuanfang durch Ausreise in die USA und der dortigen neuen Existenz als erfolgreiche Farmer und Geschäftsleute.
Die in Nordwestdeutschland und den Niederlanden praktizierte einzigartige Kombination aus Arbeits – und Pachtverhältnis ohne möglichen Eigentumserwerb ab dem 17. Jahrhundert bis etwa 1960 betraf etwa 50.000 Familien. Über die wirtschaftlichen, sozialen, gesellschaftlichen und politischen Folgen dieser Epoche berichtete Dr. Christian Westerhoff aus Stuttgart in einem Lichtbildervortrag für den Heimatverein.
Da ab dem 17. Jahrhundert kaum noch weiteres Land zu verteilen war, musste das Verbot der weiteren Höfeteilung im Zuge der Erbfolge ausgesprochen werden. Entwickelt wurde das Instrument des Heuerlingswesen, bei dem der oder die vom Hof abgehenden Söhne (Heuerling) kein Eigentum mehr erwarben, sondern kleine Teilflächen anpachteten und im Gegenzug ihre Arbeitskraft dem Hof zur Verfügung stellten. Das Heuerlingswesen prägte über drei Jahrhunderte weite Teile Nordwestdeutschlands. Heuerleute pachteten vom Bauernhof ein Haus und ein Stück Land und mussten im Gegenzug auf dem Hof arbeiten.
Der Heuerling war zwar persönlich frei, aber abgabepflichtig. Ihre Kotten und angepachteten Flächen waren klein und durch private und konjunkturelle Ereignisse wie Missernten, Hungersnot und Kartoffelfäule gefährdet.
Die Armut wurde zu einem gesellschaftlichen Thema. Das Verhältnis zwischen Bauern und Heuerlingen war ursprünglich nicht oder kaum geregelt, und in der Folge häufig Willkür.
Beginnend mit dem 20. Jahrhundert entwickelte die Rechtsetzung erste rechtliche Grundlagen mit dem BGB, beispielsweise Kündigungsfristen zum Pachtverhältnis. In der Weimarer Republik (1918 -1933) führten erste Interessenverbände der Heuerlinge spürbar zur Wahrnehmung der Probleme und Konflikte in Gesellschaft und Politik. Nachdem etwa 90 % aller Heuerleute samt Knechten und Mägde organisiert waren, folgte 1920 der Zusammenschluss aller Verbände auf Reichsebene.
Der Staat musste handeln und erließ das Pachtschutzgesetz. Nach der Machtergreifung wurde dieses „eigentumsfeindliche Gesetz“ wieder abgeschafft.
Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Heuerleute besserten sich vor diesem politischen Hintergrund nicht.
Die industrielle Entwicklung, insbesondere in Regionen der Stadt Osnabrück und des Umlandes, ermöglichten neue Erwerbstätigkeiten und ab den 1950er Jahren endgültig einen Ausstieg aus dem kargen Leben der Heuerlinge. Geblieben sind die zahlreich noch heute in der Landschaft wahrnehmbaren Heuerhäuser, von denen viele intensiv und liebevoll saniert wurden.